Auf unseren Antrag hin beschäftigte sich der Ortschaftsrat auf seiner Sitzung vom 01. April 2015 mit dem von uns vorgeschlagenen Tagesordnungspunkt: Vorbereitung und Begehung des 70. Jahrestages der Befreiung von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft (08.05.2015) in Zell-Weierbach.
Dazu hatten wir zwei Anträge gestellt:
Antrag 1:
Das Jahr 2015, in dem des 70. Jahrestages der Befreiung des deutschen Volks von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (08. Mai 2015) gedacht wird, soll genutzt werden, um das Schicksal derjenigen Menschen zu erforschen und ans Licht zu bringen, die in Zell-Weierbach unter dem Nationalsozialismus Unrecht erlitten haben.
Etwa
- als politische Gegner des Nationalsozialismus, als Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Mitglieder der Zentrumspartei …,
- aus „rassischen“ Gründen, als Juden, Sinti und Roma …,
- aus religiösen Gründen, als Mitglieder der Bekennenden Kirche, als katholische Christen, die sich dem Herrschaftsanspruch des NS-Regimes nicht gebeugt haben, als Zeugen Jehovas …,
- aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, etwa als Homosexuelle,
- als Menschen mit Behinderungen,
- als Kriegsgefangene, (KZ-)Häftlinge und Zwangsarbeiter.
Wir schlagen die Einrichtung einer Arbeitsgruppe des Ortschaftsrates vor, welcher in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Geschichtsverein das Schicksal der Opfer dokumentiert. In einer Veranstaltung soll ihrer – möglichst im Laufe des Jahres 2015 – gedacht werden. Je nach Schwere des erlittenen Unrechts sollte auch die Verlegung eines Stolpersteines in Betracht kommen.
Beschluss:
Der Ortschaftsrat begrüßt die Beschäftigung mit den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Zell-Weierbach. Er wird Herrn Dr. Gall (Leiter des Stadtarchivs und –museums) einladen, um Hinweise zu bekommen, wie eine erfolgreiche Aufarbeitung organisiert werden kann.
Antrag 2:
Wir beantragen, die Gedenktafel im Foyer der Ortsverwaltung, welche an die Zeller Soldaten erinnert, die im 2. Weltkrieg gestorben sind, historisch einzuordnen und durch eine zusätzliche Tafel zu ergänzen. In ihr sollen die Menschen(grupen) aufgenommen werden, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Zell-Weierbach gelitten haben.
Wir schlagen vor, in den kommenden zwei Monaten einen Vor-Ort-Termin mit Carmen Lötsch (Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Offenburg) und Dr. Wolfgang Gall (Leiter des Stadtarchivs und –museums) zu organisieren und gemeinsam mit ihnen über den Inhalt einer Zusatztafel zu sprechen.
Beschluss:
Der Antrag 2 wird zu gegebener Zeit behandelt. Wir bitten Herrn Dr. Gall, in seinen Ausführungen vor dem Ortschaftsrat auch Vorschläge für eine angemessene Einordnung der Gedenktafel zu machen.
Auf der OR-Sitzung vom 10.06.2015 war Wolfgang Gall zu Gast und referierte zum Thema. Er bestätigte, dass eine Reihe von „weißen Flecken“ aufzuarbeiten seien und regte an, den Zeitrahmen weiter zu spannen und Teile der Weimarer Zeit mit einzubeziehen. So erhielt die Zentrumspartei 1932 50 Prozent der Wählerstimmen, die NSdAP 19 und die KPD 18 Prozent. Wie kam es, so seine Frage, dass die 1933 einsetzende „NS-Gleichschaltung“ so reibungslos verlaufen ist? Sein Fazit: Zell-Weierbach biete nach bereits bekanntem Wissensstand viele spannende Geschichten. Er riet dazu, die Zeit vor, während und nach der NS-Periode durch einen auswärtigen Historiker untersuchen zu lassen.
Im Anschluss an den Vortrag beschloss der OR einstimmig, „im Haushalt der Stadt Offenburg ein Budget zu beantragen. Dieses Geld sollte für einen Historiker als Werkvertrag bereitgestellt werden, der die Jahre 1933 – 1945 in Zell-Weierbach als Chronik zusammenträgt.“ (Information aus der öffentlichen Ortschaftsratssitzung vom 10.06.2015, Mitteilungsblatt der Ortsverwaltung Zell-Weierbach vom 19.06.2015, S. 3)
Auf der Sitzung vom 01.07.2015 meldete der Ortschaftsrat unter Punkt 3 (Erinnerungskultur Zell-Weierbach 20. Jahrhundert) 10.000 Euro zum Doppelhaushalt 2016/2017 an. Dies wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt.
Daraufhin stellten wir auf der OR-Sitzung vom 13.01.2016 einen erneuten Antrag in diesem Sinne. Er wurde einstimmig angenommen (Auszug aus der öffentlichen Sitzung des Ortschaftsrates vom 13.01.2016, Mitteilungsblatt der Ortsverwaltung Zell-Weierbach vom 22.01.2016, S. 4). Auch dieser Vorstoß blieb ergebnislos.
Mit der im Ortschaftsrat vom 05.07.2017 erfolgten erneuten Anmeldung dieser Summe für den Doppelhaushalt 2017/18 der Stadt Offenburg geht unser Anliegen jetzt in die nächste Runde. In der Zwischenzeit werden weitere Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir sind gespannt, ob der Antrag des Ortschaftsrates diesmal Gehör bei der Stadtverwaltung findet.